Seid klug wie die Schlangen

Überlegungen zu christlichen Internetpräsenzen   •   oder: Was wusste Jesus schon von Joomla & Co.?

Von Ralf Roschinski      •       Email: rro@klugeschlangen.de       •       Kontakt   /  Datenschutz

Webseiten sind Publikationen

– und keine Spielwiesen

Die Mannschaft, die sich um Bau und Pflege der Gemeinde-Webseite kümmert, wird vermutlich nur als eine weitere Arbeitsgruppe angesehen, die angesichts der Erscheinungen der modernen Welt nun mal erforderlich ist. Andere machen schon Kinderarbeit oder Chor oder Seniorenclub oder Sonntagsschule oder Jugendarbeit oder... oder... Und nun machen die Technikfreaks halt Internet. Jeder macht seins.

Auch Webseiten sind Publikationen
Webseiten sind wie Zeitungen: Publikationen

Bei dieser Sichtweise bleibt das Naturell einer Präsenz im Internet völlig unter­be­wertet. Eine Webseite ist nämlich eine Publikation. Mit ihr publiziert die Gemeinde, sie veröffentlicht, sie gibt heraus. Es ist, als wenn sie eine Zeit­schrift für die Allgemein­heit produziert; eine Zeitschrift für die Menschen in ihrer Umgebung, in ihrer Stadt. Die Internetpräsenz ist erheblich mehr als ein Gemeindebrief, der normalerweise aus der Gemeinde heraus und schwer­punkt­mäßig für die Gemeindemitglieder gemacht ist.

In der Arbeit mit Kindern sind wir gewiss glücklich, wenn Kinder außerhalb unseres Dunstkreises daran teilnehmen. Wir streben das sogar an und werben dafür. Dasselbe gilt für alle anderen Gruppendienste. Aber es wäre kein Untergang, wenn solche Aktivitäten ausschließlich mit Teilnehmern aus der Gemeinde stattfänden. Etliche Gruppen laufen prima auch ohne Beteiligung von außerhalb.

Anders die Internetgruppe. Bei ihr geht es nicht um das mehr oder weniger harmonische Gruppenleben. Ihre Arbeit wäre ohne die Menschen außerhalb nur absurdes Theater. Öffentlichkeitsarbeit hinter verschlossenen Türen. Ein Witz. Die Internetgruppe vertritt die ganze Gemeinde gegenüber der ganzen Öffentlichkeit. Die ganze Gemeinde, bitteschön: Kinderarbeit und Chor und Seniorenclub und Sonntagsschule und Jugendarbeit und... und...

Alle mal herhören!

Wenn eine christliche Gemeinde publiziert, dann baut sie sich vor den Menschen auf, holt tief Luft und ruft: Alle mal herhören! Die Masse interessiert sich eher nicht dafür. Aber ein paar Leute bleiben stehen und spitzen die Ohren. Was bekommen sie zu hören?

Sobald eine Gemeinde ihre Webseite freischaltet, hat sie sich folglich eine Verkündigungssituation ausgesucht. Dann ist das, was da jetzt zu lesen ist, nicht das Programm der Internetgruppe, sondern die Wesensäußerung der ganzen Gemeinde. Und wenn das schon vor der Öffentlichkeit statt­findet, dann muss auch etwas "Evangelisches" rüberkommen; dann sollte sie Rechenschaft geben über die Hoffnung, die in ihr ist. Dann sollte Menschen Mut gemacht werden, einen Schritt in den Glauben zu wagen. Und es sollte die Fröhlichkeit und Gelassenheit des Himmels zum Ausdruck kommen.

In der Realität aber beschränken sich Gemeinden gern auf Selbst­darstellung, Eigenlob, Programmvorstellung, Aufzählung und Erklärung von Glaubens­inhalten, Propagierung eines selbsterfundenen Mottos, Absichts­bekun­dungen ("Wir wollen, dass..."), Erläuterung ihrer kirchenpolitischen Position und ähnlichen Dritt­wichtig­keiten. Die Frage, mit welchem Maß an kommunikativem Geschick diese Thematik auch noch präsentiert wird, wäre eine gesonderte Betrachtung wert.

Internetarbeit statt Webdesign

Einer für alle oder alle für einen?

Wenn man die Chancen des Internet nutzen will, sollte man besser eine „Internetarbeit der Gemeinde“ anstreben statt lediglich ein paar technisch Versierte das Webdesign für die Gemeinde herstellen zu lassen. Das würde vor Augen führen, dass es sich nicht um eine Nischenarbeit handelt, die man einfach mal wegdelegieren kann. Man sollte sich klar machen, dass dies eine Aufgabe ist, die von der ganzen Gemeinde getragen werden muss. Alle sind hier betroffen und können die Arbeit nicht auf die technische Subkultur der Gemeinde abwälzen.

Ihre Internetarbeit kann die Gemeinde nicht auf Webdesign, auf Themen des technischen und organisatorischen Herstellungs- und Gestaltungs­prozesses reduzieren. Internetarbeit der Gemeinde ist eine geistliche Arbeit, ist Seel­sorge­arbeit, ist Verkündigungsarbeit. Auch eine eventuelle Inanspruch­nahme externer Dienstleister oder interner Spezialisten zur Erstellung des Internet­auftritts kann den Rest der Gemeinde nicht von ihrer ureigensten Aufgabe freistellen.

Internetarbeit ist viel mehr als Webdesign und viel mehr als die Selbst­darstellung der Gemeinde. Sie ist der Eintritt in den Dialog mit dem Besucher. Das heißt, dass man alle verfügbaren Rückkanäle offenhalten sollte, also die Besucher ermutigen, Kontakt aufzunehmen und Fragen zu stellen.

Das erhoffte Echo auf unsere Webseite kann nicht Beifall und Anerkennung für uns sein, sondern dass Menschen Mut zum Glauben bekommen. Es ist allerdings sehr viel einfacher eine Webseite so zu gestalten, dass uns die Leute Beifall zollen, uns auf die Schulter klopfen und uns bestätigen, was für achtbare Zeitgenossen wir doch sind. Viel schwieriger dagegen ist es zu erreichen, dass sich Seitenbesucher in Bewegung setzen. Die Verführung ist groß, eher auf Beifall hin, auf lobende Äußerungen in den Gästebüchern hin zu produzieren.